Der Druck ist erst einmal weg: Mit dem 2:0-Erfolg in München hat sich der #effzeh nach zwei schwachen Ligaspielen zurückgemeldet. Doch die Unzufriedenheit rund um den derzeitigen sportlichen Zustand des #effzeh ist nicht kleiner geworden. @koelnsued mit einer Kritik an den Kritikern.
Die Pfiffe nach dem 0:0-Unentschieden gegen den MSV Duisburg waren laut, der Unmut über die Leistungen unüberhörbar. Die nackten Zahlen spielen der Kritik in die Karten: Der FC rangiert lediglich im grauen Tabellenmittelmaß und hatte mit den Spielen in Worms (Pokal) und Aalen (Liga) bereits zuvor zwei miese Auftritte hingelegt. Selbst der recht souveräne Aufwärtserfolg bei 1860 München ließen die Urteile kaum milder ausfallen: Zu schwach präsentierten sich die Löwen, die prompt nach der Niederlage ihren Trainer herauswarfen. Es wirkte, als sei eine Pleite gegen den #effzeh eine Schmach sondergleichen.
Doch ist dieses schlechte Zwischenzeugnis gerechtfertigt? Oder erleben wir eine typische Saison für eine „graue Maus“, die wir vor der Spielzeit eingeplant hatten? Eines vorweg: Auch ich bin kein Ausbund an Geduld, kein Vorbild an Gleichmut und kein stoischer Betrachter mieser sportlicher Leistungen. Auch ich habe nach dem schwachen Heimauftritt gegen den MSV Duisburg die Mannschaft und den Trainer kritisiert. Berechtigt, aber mitunter zu harsch, zu personenorientiert, zu absolut in der Schlussfolgerung. Doch, wenn ich tief in mich gehe, ist es die Diskrepanz zwischen vor der Saison postulierten Erwartungshaltung und dem letztlich steinigen und harten Weg im Alltag, die für Missmut sorgt. Nicht nur bei mir.
Kann man der aus finanzieller Not und mangelnder sportlichen Perspektive zusammengestellten Mannschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen Vorwurf machen? Ich sage: Nein. Das Team bewegt sich fußballerisch auf einem ähnlich schwachen Niveau wie die Ligakonkurrenz und versucht dies durch erhöhte Einsatzbereitschaft zu kompensieren. Das klappt, so sollte jeder, der mehr als einmal gegen das runde Leder getreten hat, manchmal besser (Kaiserslautern, Paderborn) und häufiger mehr schlecht als recht (Aalen, Worms, Duisburg).
Ohne zu sehr in der Vergangenheit kramen zu wollen: Könnt ihr Euch noch an die miesen Auftritte in Osnabrück, Ahlen oder Lübeck erinnern? Am Ende dieser Saison stand für den 1.FC Köln der Aufstieg zu Buche. Und in diesen Saisons hat man keinesfalls besseren Fußball gezeigt als jetzt. Der einzige Unterschied: Wir hatten in unseren Reihen stets zwei-drei überdurchschnittliche Zweitligakicker, die letztlich denselben machten. 2003 hießen sie Lottner und Scherz, 2005 Podolski, 2008 einen für die Verhältnisse im Unterhaus überragend besetzten Kader mit Erstligakönnern (-und Verdienern) wie Mondragon, Mohamad, Özat, Antar, Helmes und Novakovic.
Diese mangelnde individuelle Qualität ist es, die bisher die Diskrepanz zwischen grauem Tabellenmittelmaß (der #effzeh jetzt und hier) und Aufstiegsambitionen (damals, als der Ball noch rund, wisst ihr noch?) darstellt. Wer sich beispielsweise die anderen Absteiger Kaiserslautern und Hertha BSC anschaut, wird ähnlich wenig an einstudierten Spielzüge, taktischen Automatismen und einer ins Auge fallenden Handschrift des Trainers sehen. Nur haben beide Vereine, ihren Saisonzielen angemessen, Einzelkönner wie Idrissou oder Ronny im Repertoire, die ein Spiel in der zweiten Liga im Alleingang entscheiden.
Es scheint, als würde woanders, unter dem Druck des anvisierten sofortigen Wiederaufstiegs, ähnlich gehandelt wie bei den letzten Aufstiegen des 1.FC Köln. Aber ist das die Strategie, die wir verfolgen sollten (oder überhaupt können)? Letztlich ist mir unser, auch durch die finanziellen Nöte vorgeschriebenen, Weg deutlich sympathischer. Keine Ansammlung von Einzelkönnern, sondern eine organisch gewachsene Mannschaft, die auch durch ihre Täler gegangen ist. Das Beispiel, wie ein solcher Weg aussehen kann, steht derzeit sinnbildlich an der Tabellenspitze: Eintracht Braunschweigs Mannschaft wurde sukzessiv ergänzt, ausgebaut, verstärkt, gefestigt – bis jetzt dieser Lauf möglich ist, der sie derzeit auf Rang 1 gebracht hat. Und genau das ist meiner Meinung nach die einzige Chance, wieder so etwas wie eine Rolle spielen zu können, die Substanz hat. Das mag zwar ein langwieriger, steiniger Weg sein – aber diese Zeit muss man dem Verein und den handelden Personen geben.
Kann man Holger Stanislawski dennoch kritisieren? Natürlich! Auch mir gefällt so manches nicht: Die Formschwäche mancher Kicker (Clemens, Jajalo), die häufigen Rotationen (taktisch wie personell) und das Festhalten am bisher eher unter der Grasnarbe agierenden Lehmann zu Ungunsten Strobls oder Matuschyks. Mir ist auch Stanislawskis Außendarstellung mit seinen vermeintlichen markigen Sprüchen und den ewig gleichen Floskeln nach dem Spiel ein Graus. Aber die Mannschaft macht bisher den Eindruck, seinem Namen alle Ehre zu machen und zusammen zu stehen, wenn es darauf ankommt. Szenen wie beim Auswärtssieg in München zeigen, dass das Team seinem Trainer die Gefolgschaft nicht zu verweigern scheint.
Das Gros der Fans hat sich vor der Saison zum notwendigen und überfälligen Umbruch bekannt. Dass der Weg nicht einfach werden wird, dass in jeder Lern- und Formkurve Rückschläge und Stagnation zu verzeichnen ist, dass der gesamte Verein nach sieben Jahren Misswirtschaft auf allen Ebenen derzeit eine Stabilisierung unter schwierigen Bedingungen vollziehen muss. Wenn ich aber jetzt lese, dass Stanislawski genug Zeit hatte, der Mannschaft so etwas wie eine Handschrift zu verpassen, muss ich doch sehr lachen. 14 Spiele sind genug Zeit, die Melange aus fehlenden taktischen Grundlagen, Automatismen und mangelnder individuellen Erfahrung & Klasse zu einem taktisch stabilen Gebilde zu formen? Bei solch Anspruchsdenken muss ich häufig an das Zitat einer treuen Mitleserin im fernen Ausland denken: „Was der Kölner immer so für Geduld hält, ist anderswo die Definition für die Aufmerksamkeitsspanne eines ADHS-Patienten.“
Die Grundidee, wie Stanislawskis Fußball aussehen soll, konnten wir bereits verfolgen: Aktives, laufintensives Arbeiten gegen den Ball, hohe Ballbesitzquote, weit aufgerückte Außenverteidiger, rochierende Offensivkräfte, dazu eine taktische Flexibilität. Nicht immer war dies auf Anhieb zu erkennen, besonders auswärts hapert es zumeist an der Umsetzung. Dennoch: Der grundsätzliche Weg ist vorgezeichnet – er wird, das kann man nicht oft genug betonen, nicht einfach, er ist wahrscheinlich zunächst häufig nicht schön anzusehen und er wird auch Rückschläge beinhalten. Ich sehe, wenn ich ehrlich sein soll, in der derzeitigen Vereinssituation auch wenige, wenn nicht sogar gar keine Alternativen zu diesem Weg. Diesen kritisch zu begleiten, ist sicherlich niemals falsch. Aber: Der Grat zum Nörgeln als Selbstzweck ist ein schmaler. Manchmal ist es sicherlich ratsamer, die Faust in der Tasche zu ballen und Ruhe als erste Bürgerpflicht zu begreifen. „Augen zu und durch!“ quasi.
Um dabei auch in schwierigen Tagen Geduld zu beweisen, hilft ein Abgleich mit den eigenen Erwartungen. Ich habe mir eine Saison ohne Abstiegssorgen im grauen Mittelmaß gewünscht, optimalerweise mit einem einstelligen Tabellenplatz. Wir sind auf dem besten Wege dahin – mit allen Nebengeräuschen, die das mit sich bringt.
Guter Beitrag, dem ich nur zustimmen kann. Doch diese logische und realistische Herangehensweise widerspricht nun einmal der Kölner Grundmentalität. Das ist oft anstrengend aber bei uns gehört es eben dazu.
Wenn wir noch zwei Spiele gewinnen, werden die ersten schon wieder von Europapokal 2014 reden
Gruß
die Kölsche Ziege