Für den Guten Fußball

Die Idee

Es klingt nach einer Idee die entsteht wenn man angetrunken auf dem Rückweg einer frustrierenden Auswärtsfahrt ist. Eine Idee, an die man sich am nächsten Tag schon kaum mehr erinnern kann. Eine Idee die ohnehin niemals umgesetzt werden wird.

Nicht mehr zu den Spielen der 1. Mannschaft zu fahren, sondern nur noch zur U21 des 1. FC Köln. Zu den Profis höchstens noch, wenn die Amateure spielfrei haben.

Doch die Idee ist kein Schnellschuss. Keine im angetrunkenen Zustand heraus posaunte Spinnerei. Es ist eine Überlegung, die schon länger reift und die konsequent zu Ende gedacht nur auf eines hinauslaufen kann.

 

Denn auf der Rückfahrt aus Stuttgart war Niemand frustriert. Der FC hatte sich ordentlich angestellt gegen einen stärkeren Gegner und war letztlich unglücklich, aber erhobenen Hauptes, aus dem Pokal geflogen. Die Fahrt war, zumindest für unsere Gruppe – auf die erschreckenden Ereignisse in Bezug auf Ganzkörperkontrollen und andere Grundrechtsverletzungen soll hier nicht eingegangen werden – entspannt und lustig.

Es geht also nicht um sportliche Unzulänglichkeiten der 1. Mannschaft. An sportliche Gräueltaten hat man sich schon lange gewöhnt. Deswegen verzichtet man nicht auf den FC.

Es geht um das, woran wir uns noch gewöhnt haben. Um das, woran wir uns schon bald gewohnt haben werden. Es geht um den Event.

 

Der moderne Fußball

Wir haben verloren. Zumindest jetzt und hier. Ebenso wie der FC in Stuttgart waren wir letztlich chancenlos. Es war kein fairer Kampf, aber wir haben uns wacker geschlagen. Wir haben lange durchgehalten. Länger als man erwarten konnte. Aber der Fußball ist zu dem Event geworden, den die DFL und die Medien vermarkten können. Er ist zu dem Event geworden, mit dem sich viel Geld verdienen lässt.

Wir haben uns gewöhnt an Cheerleader, an Marktschreier die sich als Stadionsprecher tarnen, an Logen und Businessseats, an winzige Gästeblöcke im letzten Winkel des Stadions, an Sponsoren statt Jugendmannschaften vor dem Fußballspiel, an Salamispieltage, an REWE Fanboxen und an JustPay-Karten mit denen man alkoholfreies Bier kaufen kann. Wir haben uns daran gewöhnt, uns bei Auswärtsspielen und teilweise sogar bei Heimspielen nicht mehr frei bewegen zu können. Ständig unter Beobachtung, unter Generalverdacht zu stehen. Wir haben uns daran gewöhnt kollektiv für das Fehlverhalten Einzelner bestraft zu werden. Wir haben uns daran gewöhnt Materialien verboten zu bekommen, unsere Fahnen nicht mit ins Stadion nehmen zu dürfen, dort aber Fahnen von Sponsoren vorzufinden. Wir haben uns an den Event gewöhnt.

Die Idee, zur U21 statt zu den Profis zu fahren, hat nichts mit der sportlichen Leistung zu tun. Es geht darum, dem Event zu entkommen.

 

Der gute Fußball

Dabei darf es nicht das Ziel sein, zu einem vormodernen Fußball zurück zu gehen. Das kann keiner wollen. Es geht vielmehr um das Verlangen nach einem guten Fußball. Und der dumpfe Rassismus, Antisemitismus und Sexismus in den Stadien der 80er und 90er Jahre steht dazu ebenso im Widerspruch wie es der Event der DFL heutzutage tut.

Es geht darum, den Sport in den Mittelpunkt zu rücken, nicht den Event. Es geht um Kurven, in denen aktive Fans ihre Mannschaft mit ihren Mitteln anfeuern und dafür sorgen, dass sich unter ihnen keine Idioten breit machen.

Es geht darum Freitag Abend im Regen auf einer kleinen Stehplatztribüne auf Höhe der Mittellinie zu stehen und Fußball zu schauen. Es geht darum, mit Freunden Bier zu trinken und zu diskutieren. Es geht darum nicht 20€ für eine Stehplatzkarte zu bezahlen sondern 10€ für einen Sitzplatz. Falls überhaupt. Aber auf Dauer wird das Ausweichen auf die U21 nicht funktionieren.

 

Denn die Eventisierung des Fußballs wird sich auch auf die unteren Ligen erstrecken. Nicht in dem Maße, wie in den Profiligen, aber ausreichend.

Es besteht ein grundsätzlicher Interessenskonflikt zwischen den Vereinsführungen und den Fans, der lediglich durch den gemeinsamen Wunsch nach sportlichen Erfolg nicht zum Ausbruch kommt. Bisher jedenfalls. Aber gerade wo der sportliche Erfolg ausbleibt oder wo Vereine zu große Teile ihrer Identität aufgeben dürfte es bald dazu kommen, dass Fans sich dazu ermächtigen wollen, tatsächlich selber Handlungsfähig zu sein.

Der 1. FC Köln macht in Bezug auf seine Fans vieles richtig, fügt sich letztlich aber auch in die Strukturen von DFL und DFB ein. Und diese Strukturen sind es, die einen guten Fußball aktuell unmöglich machen.

 

Die Zukunft

Daher wird es auch nur mittelfristig nützen, nach englischem Vorbild, eigene Vereine zu gründen. Denn auch sie wären in denselben Strukturen eingebunden, wie die bereits existenten Vereine. Auch sie würden letztlich nach denselben Mechanismen funktionieren müssen.

Im letzten bleibt daher nur die Gründung eines eigenen Verbandes. Ein Verband der nicht auf Gewinnoptimierung setzt, der sich nicht um mediale Vermarktbarkeit schert. Ein Verband für den guten Fußball.

Ein solcher Verband, der Wert auf den Fußball und seine Fans legt, ist natürlich eine Utopie. Und doch ist der DFB als einziger Fußballverband Deutschlands nicht in Stein gemeißelt. Ein eigener Verband würde Abstriche auf vielen Ebenen bedeuten. Infrastruktur, die Attraktivität der Spiele, vieles würde nicht dem heutigen Standard entsprechen. Aber dafür hätte man die Chance Freitagabends mit Freunden im Regen die eigene Mannschaft anzufeuern, ohne Event drumherum. Nur Fußball.

Es ist eine Utopie. Sie nur im Ansatz zu verwirklichen würde viel Arbeit, jahrelange Geduld und eine hohe Frustrationstoleranz von einer ganzen Menge Menschen erfordern. Der Lohn, sollte es gelingen, wäre ungleich höher.

Vorerst bleibt aber immerhin die Möglichkeit die Spiele der U21 zu besuchen. Und wenn es unbedingt Profifußball sein soll, bleiben immer noch die FC Damen. Auch hier kann man Fußball ohne viel Event erleben. Häufig sogar richtig guten. In jeder Hinsicht.

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