Vorfreude

Als vor ein paar Wochen Losfee Nia Künzer das Spiel Eintracht Trier – 1.Fc Köln loste, freuten sich nur wenige in der Domstadt. Immerhin hatte man noch vor ein paar Jahren in der Liga das Vergnügen und im Pokal traf man zuletzt im Achtelfinale 2009 aufeinander. Und da der reisefreudige Kölner in der ersten Runde des DFB-Pokals gerne möglichst exotische Orte kennenlernen möchte von denen er noch nie etwas gehört hat, kann eine Reise in das grade mal 150 Kilometer entfernte, eher bodenständige Trier nicht als das Wunschlos bezeichnet werden. Ich jedoch tanzte vor Freude auf dem Asphalt: Denn ich wohne und studiere in der ältesten Stadt Deutschlands. Als ich von dem Los hörte, war es wie ein kleiner Traum, der in Erfüllung ging. Die Heimat zu Gast zuhause. Kölsche Lieder dort, wo man sich selbst hin vertrieben hat. Wenigstens einen Abend mit Leuten verbringen, die man sonst nur aus Köln-Müngersdorf kennt.

Nun, was tun, um die Vorfreude zu überbrücken? Natürlich #effzeh Spiele besuchen. Highlights gab es mit Dresden und Düsseldorf ja schon. Aber warum nicht auch mal im Moselstadion vorbeischauen? Die Frühform der Eintracht auschecken. Schon mal Atmosphäre schnuppern. Gedacht? Getan! Der Spielplan meinte es gut mit mir: Zur Saisoneröffnung spielte Trier zuhause gegen Hessen Kassel, den letztjährigen Meister der Regionalliga Südwest. Durch ein vollkommen absurdes Aufstiegsverfahren stieg der jedoch nicht auf, sondern musste sich in der Relegation dem Meister der Regionalliga Nord, Holstein Kiel, geschlagen geben. Um die Absurdität komplett zu machen, stieg übrigens der zweite der letztjährigen Regionalliga Südwest, der SV Elversberg, auf. Optimierungsbedarf durchaus vorhanden!

Am Spieltag zog es mich zunächst zum Friseur, wo ich den „Trierischen Volksfreund“ in die Hände bekam. Der Sportteil verriet mir, dass die Eintracht wohl im Sommer den gesamten Kader umgekrempelt hat und acht neue Spieler verpflichtete. Als ein paar Zeilen später Trainer Roland Seitz die Vorbereitung als Durchwachsen deklarierte, stellte ich mich auf einen klaren Auswärtssieg ein. Sowohl am ersten Spieltag als dann natürlich auch im Pokal. Wobei das ja sowieso Formsache ist.
So machte ich mich auf zum Stadion. Der Ticketpreis liegt für Studenten bei 6,50€. Eigentlich könnte man hier öfter hingehen, schoss es durch den Kopf. Aber sei es drum: Hineinspaziert ins Stadion, Platz irgendwo in der Kurve gesucht und das Treiben bei Backofentemperaturen verfolgt.

Die Eintracht spielte im 4-2-3-1 System und machte zu Beginn sehr viel Druck. Von mangelnder eingespieltheit, wie unter anderem im „Inzine“, dem überraschend gut geschriebenen Ultramagazin der Gruppe „Insane Ultra“, zu lesen war, sah ich erstmal nichts. Man schnürte den Meister aus Kassel gut in der eigenen Hälfte ein und spielte schnell, flach und direkt über die Flügel. Die Aussenverteidiger schoben weit nach vorne und schafften so ein um das andere mal Überzahl. Leider waren die Flanken zu unbrauchbar, als das es hätte gefährlich werden können. Der auch in Köln bestens bekannte Marco Quotschalla versuchte sich irgendwann mal mit einem Fallrückzieher, was aber eher kläglich misslang. Es war aber durchaus Spielkultur vorhanden, was auch am sehr guten Rasen lag, was mich im Hinblick auf die kommende Woche Optimistisch werden lässt.
Abseits des Platzes machten die „Insane Ultras“ auf sich aufmerksam. Sie stehen auf der Gegengrade. In der Kurve hält sich der „Supporters Club“ auf, der sich für Support allerdings nicht besonders zuständig fühlt und nur auf ausdrückliche Aufforderung der Gegengrade für wenige Sekunden in die Schlachtgesänge einsteigt. Ansonsten besteht das Publikum aus vielen Rentnern, die das Spiel auf äusserst zynische Art begleiten und an der Eintracht kein gutes Haar lassen. Ein vielleicht Achtjähriger, der neben mir stand, fasste das geschehen auf den Rängen in eine knackige Frage an seinen Vater zusammen: „Können die mal den Mund halten?“ Einem Heimspiel im Pokalspiel steht da nichts im Wege.
In die Gästekurve hatten sich vielleicht 100 Fans aus Kassel verlaufen, die für ihre Anzahl einen ordentlichen Support hinlegten, wenngleich Sonne und Alkohol im Laufe des Spiels für Ermüdungserscheinungen sorgten. Am kommenden Samstag Abend, wenn die Gästekurve dann ganz in Rot-Weiß erscheint, sieht das selbstverständlich anders aus.
Auf dem Feld wurde es ab Minute 37 spannender. Da versuchte es Trier nämlich ausnahmsweise durch die Mitte und hatte direkt Erfolg: Abelski tauchte fei vor dem Gästekeeper auf und versenkte den Ball kaltschnäuzig. Was nun bis zur Pause folgte, war  ein wilder Schlagabtausch, bei dem zuerst die Kassler den Ausgleich erzielten, um im Gegenzug doch wieder das 2:1 zu fressen und mit einem Rückstand in die Pause zu gehen.

Nach der Halbzeit verflachte das Spiel etwas, Kassel kam besser ins Spiel und erzielte nach einem Handelfmeter das 2:2. Die Stimmung auf den Rängen wurde hektischer, Heim- und Gästeblock tauschten verbale Nettigkeiten aus, was sich auch auf den Platz übertrug. Am Ende behielt Kassel die Oberhand, in dem sie einen Konter kurz vor Ende der Spielzeit zum 3:2 ins Netz beförderten. In einer Phase, in der Trier auf das 3:2 drückte,  durchaus ein wenig Glücklich, wenn auch nicht unverdient. Kassel agierte wie eine Spitzenmannschaft, die wusste, wie sie unter den Bedingungen zu spielen hat. Trier zahlte bitteres Lehrgeld, kann aber erhobenen Hauptes in die kommenden Ligaspiele gehen. Nachdem man am Wochenende noch einmal Lehrgeld wird zahlen müssen, hat man genug Potential, um oben mitzuspielen.

Nach dem Spiel gab es dennoch Applaus von den Rängen für die couragierte Leistung der Heimmannschaft. Wenn man es schafft, in der Defensive konzentrierter zu Werke zu gehen und fightet wie im Pokal üblich, wird es für den #effzeh kein Selbstläufer. Dennoch gehen wir als klarer Favorit in die Partie und sollten, wenn alles normal läuft, auch relativ deutlich gewinnen, zumal das Moselstadion kein Hexenkessel war. Auch dies wird sich Samstag hoffentlich ändern, wenn die Götter in Rot Trier entern!

Dieser Beitrag wurde unter 1. Mannschaft, Auswärtsspiel, Groundhopping veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.