Peter Stöger ist nicht nur ein sympathischer Trainer, sondern auch ein besonders intelligenter. Ich spreche hier nicht von der Intelligenz die in gewöhnlichen IQ-Tests gemessen wird, also das, was gemeinhin als kognitive Leistungsfähigkeit verstanden wird (Fußnote: Ich erspare mir und euch an dieser Stelle eine detaillierte Kritik am allgemeinen Intelligenzbegriff und an IQ-Tests, sowie ein Abriss deren teils rassistischen Geschichte. Für mich sind alle Formen von Intelligenz erlernbar und nicht angeboren.).
Ich meine hier zwei andere Formen von Intelligenz, die für einen Fußballtrainer wahrscheinlich wichtiger sind als ein hoher IQ-Wert. Da ist zum einen die taktische Intelligenz. Mit dieser – so sollte man meinen – sind alle im Profigeschäft tätigen Trainer überdurchschnittlich ausgestattet. Aber allein die jüngere (und vermutlich auch ältere) Geschichte unseres Vereins lehrt uns, dass dies nicht zwingend immer der Fall ist. Ich will an dieser Stelle gar keine Vergleiche bemühen. Es reicht sich die Arbeit von Peter Stöger in der laufenden Saison anzuschauen, um festzustellen dass der Mann sich viele Gedanken um die Aufstellung und Ausrichtung seines Teams macht. So schreckt er auch nicht davor zurück, wenn er es für nötig hält, in der Halbzeitpause das System umzustellen, statt einfach blind einen einmal ausgegebenen Plan zu verfolgen. Dies war erst am letzten Spieltag der Fall als er im Spiel gegen 1860 München zur Halbzeit Finne für Risse brachte und damit auf zwei Spitzen umstellte. Dass diese Veränderung mit dazu beigetragen hat, dass die Offensive des #effzeh in der zweiten Halbzeit wesentlich besser aussah, haben Dominik und Axel im Bockcast gut analysiert.
Klar klappt offensichtlich nicht immer alles, was Stöger sich taktisch so einfallen lässt, aber es wird doch deutlich, dass er sehr genau überlegt, wie er spielen lassen will. Er probiert aus, überlegt was gegenüber bestimmten Gegnern eine alternative Ausrichtung sein könnte und – und das ist besonders hervorzuheben – er gesteht taktische Fehler ein. Statt stur an einer Aufstellung festzuhalten, ist er ohne Eitelkeit bereit zuzugeben, dass er sich geirrt hat und dann entsprechend zu korrigieren. So z. B. beim Spiel in der Hinrunde gegen Bielefeld, wo der #effzeh in der ersten Halbzeit ohne Gerhardt nicht so gut aus. Stöger wechselte ihn zur Halbzeit ein, stellte damit um und pompt lief es besser. Auf die Fragen eines Journalisten nach dem Spiel, ob die anfängliche Ausrichtung ohne Gerhardt ein Fehler gewesen sei, sagt er mit einem schmunzeln ganz trocken: “Ja, alles richtig erkannt.“ Durch die Bereitschaft Fehler zu erkennen und zu korrigieren ist eine Entwicklung im taktischen Bereich erst möglich.
Diese Fähigkeit Fehler einzugestehen – ohne dabei möglicherweise Angst zu haben an Autorität zu verlieren oder sich lächerlich zu machen – ist zugleich auch Teil der zweiten Form von Intelligenz, die Peter Stöger vielleicht mehr noch als die taktische, von so manchem anderen Trainer unterscheidet. Die Rede ist von sozialer oder auch emotionaler Intelligenz. Dies mag vielleicht zunächst überraschen, erscheint Stöger doch zunächst als ziemlich sachlicher, eher unemotionaler Mensch – gerade wenn man ihn mit Trainerkollegen wie Streich, Tuchel oder Klopp vergleicht. Doch wer sich über die letzten Monate immer mal wieder angehört hat, was der Cheftrainer des #effzeh zu sagen hat, dem wird aufgefallen sein, wie oft Stöger betont, wie wichtig es sei zu kommunizieren. Es wird sicherlich keine studenlangen Gesprächsrunden mit der Mannschaft über Befindlichkeiten geben, jedoch hat Peter Stöger einen Sportpsychologen, der den Spielern für Einzelgespräche zur Verfügung steht, mit nach Köln gebracht.
Stöger ist weder der große Motivator, der die Mannschaft euphorisiert, noch der große Schleifer, der mit Drohungen Leistung zu erzwingen versucht. Statt seine Spieler wie Kinder mit Zuckerbrot und Peitsche zu erziehen, hat man viel mehr den Eindruck, dass er sie als erwachsene Menschen ernst nimmt. Entsprechend wird er transparent seine Entscheidungen kommunizieren. Ich bin mir sicher, dass keiner der Spieler darüber im Unklaren gelassen wird, warum er spielt oder eben nicht. Stöger wird seine Gründe sachlich, aber verständlich kommunizieren. Und gerade auch deshalb gibt es kein Disziplinproblem in der Mannschaft.
Das er bei den Entscheidungen zur Aufstellung nicht nur die spielerische Leistung und physische Verfassung, sondern eben auch den psychisch-mentalen Zustand der einzelnen Spieler berücksichtigt, wird deutlich, wenn man seine Begründung für die Umstellungen vor dem Spiel gegen den KSC hört. Nicht wie manche vielleicht vermutet haben, hat er Peszko, Gerhardt und Ujah auf die Bank gesetzt, um ihnen für unzureichende Leistung(sbereitschaft) einen Denkzettel zu verpassen. Laut seiner Aussage, ging es ihm darum einige Spieler, die massiv unter dem Erwartungdruck von Fans und Medien standen, zu entlasten (was er den betreffenden Spielern auch so kommuniziert haben wird). Es ging nicht darum, dass sie nicht wollten, sondern dass sie möglicherweise aufgrund des Drucks nicht konnten. Das hat Stöger erkannt und entsprechend unbedarftere, unbelastetere Spieler wie Nagasawa und Finne gebracht. Es scheint funktioniert zu haben.
Ein weiteres Beispiel: Auf die Leistungen von Nagsawa nach dem Spiel gegen 1860 München angesprochen, lobt der Trainer diesen, nicht aber ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass Nagaswa sich gerade in einer euphorischen Phase befindet und dadurch “über seine gefühlte Schmerzgrenze drübergeht”. Auch hier beweist Stöger wieder seine emotionale Intelligenz. Zum einen will er hier sicherlich zu großen Erwartungen vorbeugen und die Fans vorwarnen, nicht zu erwarten, dass Nagasawas Fomrkurve einen steilen Verlauf nach oben nehmen wird. Aber zum anderen zeigt diese Aussage, wie sensibel er ist und das er die Entwicklung, gerade der jungen Spieler, sehr genau im Blick hat und bereit ist Maßnahmen zu ergreifen, wenn er die Gefahr sieht das diese sich überlasten und damit ausbrennen. Ähnlich wie Gerhardt wird er auch Nagasawa zur richtigen Zeit eine Pause gönnen, eben gerade, um seine weitere Entwicklung nicht zu gefährden.
Das die Spieler sich nicht zurückgesetzt und ignoriert fühlen, wenn sie trotz guter Leistungen im Training oder im letzten Spiel auf der Bank sitzen, hat sicherlich mit dem Vertrauen zu tun, das zwischen Trainerteam und Mannschaft zu herrschen scheint. “Vertrauen” ist nämlich ein anderes Wort, welches in Peter Stöger Sprachgebrauch eine hervorgehobene Stellung einnimmt. So wird er nicht müde immer wieder zu betonen, dass er auch den Spielern, welche etwas unglücklich spielen und in der Kritik von Fans und Medien stehen, vertraut und um ihre Stärken weiß. Das macht er um sie nach außen zu schützen, wie es die gute Praxis vieler Trainer ist. Aber durch seine transparente interne Kommunikation, wird er auch das Vertrauen seiner Spieler erlangt haben. “Kommunikation schafft Vertrauen” steht wahrscheinlich in einem Buch für Psychologie oder auch in einem für modernes Management und Unternehmsführung. Die Fähigkeit diese beiden Dinge herzustellen, ist zentrales Element sozialer Intelligenz. Dass die auf die Bank verbannten Spieler nicht murren oder sich frustriert geben und wenn sie eingewechselt werden Einsatz zeigen, ist ein Beleg dafür, dass dies keine Phrase ist.
Mit emotionaler/sozialer Intelligenz hat Peter Stöger also durch Kommunikation und Vertrauen ein intaktes Mannschaftsgefüge geschaffen. Das erleichtert ihm wiederum die Kommunikation seiner taktischen Vorstellungen und durch das Vertrauen sind die Spieler eher in der Lage und Bereit diese umzusetzen. Die nicht zu unterschätzende Bedeutung der Psyche im Fußball hat ein Ex-Effzeh-Trainer, der mit Sicherheit sehr viel weniger intelligent ist – und ich meine hier ausdrücklich alle Intelligenzebenen – als Peter Stöger, prägnant auf den Punkt gebracht: “Im Fußball spielt der Kopf immer eine wichtige Rolle. Ich sag, wenn der Kopf richtig funktioniert, ist er das dritte Bein.”