Eine würdevolle Rückkehr

Wieder laufe ich durch den kurzen Gang, der den Stadionumlauf mit den Stehplatzblöcken der Südkurve verbindet. Fast genau zwei Jahre nach dem ich dort alleine dem Abstieg entgegen schlich. Als hinter mir die Südkurve und der 1. FC Köln in sich zusammen brach und die Reste des Pfeffersprays in der Luft lagen.

Jetzt gehe ich hier nicht allein lang. Menschen kommen mir entgegen, lachend, singend, Arm in Arm ein Bier trinkend. Hinter mir ist der 1. FC Köln wieder auferstanden.

Durch den nieselnde Landregen des Münsterlandes fahre ich mit meiner Freundin Richtung Köln. Die Autobahn ist an diesem Ostermontag-Nachmittag voller als gedacht. Immer wieder kommen wir in kurze Staus und tatsächlich stellt sich ein leichtes Kribbeln ein bei dem Gedanken an den Abend.

Eigentlich verspüre ich keine große Euphorie bei dem Gedanken am Abend aufsteigen zu können. Der Hype, von Verein und Medien gepuscht und von den Fans dankbar aufgenommen, hat mal wieder die für Köln übliche, völlig überzogene Größe erreicht. Im Gegenteil, eigentlich wäre es mir lieber, erst in Ingolstadt aufzusteigen. Aber es geht ja nicht um mich. Es geht um den glorreichen 1. FC Köln. Und wenn der die Chance hat aufzusteigen – da wird man schon mal nervös.

Zum ersten Mal in meiner nicht ganz kurzen Karriere als FC-Fan bin ich bereits am Stadion, bevor die Tore geöffnet werden. Mit dem Fahrrad ist man halt doch schneller, als mit der KVB. Erstaunlicherweise ist der Platz hinter Südkurve aber nicht leer. Und auch vor den Eingängen stehen schon Menschen an. Weit über zwei Stunden vor Anpfiff. Die Schlange an der Schiedsrichterkasse wird immer länger. Viele hoffen wohl dort noch auf ihr Kartenglück. Die Schlange wird kaum kürzer geworden sein, bis ich schließlich ins Stadion und in meinen Block gehe. Das Kribbeln wird stärker.

Selbst im Sitzplatzbereich des Gästeblocks sind einige hundert Kölner*innen auszumachen. Und nur dort sind auch noch Plätze freigeblieben. Ansonsten ist das Stadion voll. Häufig wird von der Stimmung in Köln geschwärmt. Häufig, weil es sonst nicht viel zu schwärmen gab. Und häufig wird auch dort übertrieben. Aber nicht an diesem Ostermontag. Trotz, oder gerade weil alle den Aufstieg heute sehen wollen. Meine Befürchtungen, die Mannschaft würde ausgepfiffen werden, wenn sie nicht nach 10 Minuten 3:0 führt bewahrheitet sich nicht. Im Gegenteil. Die Mannschaft wird mehrfach lautstark angefeuert. Lauter war es selten. Und auch nach dem Gegentor schlägt die Stimmung nicht um.

Ein Verdienst dieser Mannschaft, die sich durch Rückschläge nicht aus der Ruhe bringen lässt. Die weiterkämpft. Die den Willen hat, solche Spiele noch zu drehen. Und das weiß man in Köln doch zu schätzen. Somit bekommt nur das Schiedsrichtergespann Pfiffe ab. Mit leichtem Applaus geht es für die Mannschaft in die Kabine.

Eleding lange ist die Halbzeitpause. Sie kommt mir länger vor als sonst. Ich weiß nicht warum. Aber im Gegensatz zu sonst, schaffe ich es nicht, das übliche Rahmenprogramm auszublenden. Ich muss die REWE-Fanbox in ihrem vollen Umfang ertragen, ebenso wie das Gerede des zweiten Stadionsprechers. Immerhin, Barzahlung im Stadion wird für nächste Saison angekündigt. Kurzer Jubel.

Auch bei uns im Block ist es deutlich voller als sonst. Ich stehe ungünstig am Zaun zum Nachbarblock und sehe somit nur die Hälfte des Spielfeldes gut. Allerdings findet in der zweiten Halbzeit auch in der anderen Hälfte nichts mehr statt. Der 1. FC Köln kommt auf’s Spielfeld und beginnt Fußball zu spielen. Die Stimmung auf den Tribünen ist entsprechend und der Klassenunterschied zwischen Köln und Bochum wird immer deutlicher. So schafft Risse schließlich den Ausgleich.

Häufig sieht man Tore im Stehplatzbereich nicht richtig gut. Viele Tore habe ich so schon verpasst diese Saison, weil die Sicht blockiert war, ich kurz woanders hingeschaut hatte oder das Tor schlicht auf der anderen Seite des Spielfeldes gefallen war. Doch diese Tor sehe ich klar und deutlich. Ähnlich deutlich habe ich ansonsten nur den Siegtreffer von Ujah in Düsseldorf gesehen. Ich weiß, dass der Ball reingeht, als Risse zum Schuss ausholt. In meiner Erinnerung läuft das ganze in Zeitlupe ab. Da ich weiß, dass das Tor fallen wird, bleibe ich äußerlich völlig ruhig. Bierduschen regnen auf mich herab, um mich herum ist Jubel, alle fallen sich in die Arme. Ich brauche ein paar Sekunden um mir bewusst zu werden, dass es durchaus angebracht ist, sich zu freuen und schlage mit den Leuten hinter mir ein.

Es passt natürlich auch zum Drehbuch der Saison, dass es Helmes ist, der uns zum Aufstieg schießt. Mit einem Elfmeter, der einmal mehr nicht verwandelt werden kann und einem Nachschuss der sitzt. Helmes über dessen Verpflichtung ich aus viele Gründen nicht begeistert war, Helmes der sich dann doch irgendwie in die Mannschaft integriert und vor allem seine Tore gemacht hat. Wieder rastet alles um mich herum aus. Ich freue mich kurz. Ähnlich nach dem 3:1, nachdem ich mich auf den Weg zu unseren Fahnen mache, um sie abzuhängen damit sie beim bevorstehenden Platzsturm nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Ich sitze auf dem Zaun, die Fahne in der Hand. Neben mir klettern Menschen über den Zaun. Man sieht immer wieder bekannte Gesichter. Es hat etwas cineastisches, unwirkliches. Irgendwann laufe ich auch vor der Südkurve lang. 2008 war ich auch auf den Platz gestürmt. Nach diesem dramatischen Finale gegen Hoffenheim und Mainz. Dieses mal wollte ich es eigentlich nicht. Zu entspannt war der Aufstieg. Zu selbstverständlich in den letzten Wochen, auch durch die schwache Konkurrenz. Aber dann stehe ich doch auf dem Platz und bin erstaunt, wie hell das Flutlicht hier unten tatsächlich ist und wie wenig es dabei blendet. Jemand springt mir auf den Rücken, brüllt mir jubelnd ins Ohr und ist dann auch wieder in der Masse verschwunden. Ich laufe noch ein wenig über den Rasen, dann beschließe ich, lieber draußen an der Bierbude zu warten.

Und so laufe ich wieder durch den Gang. Nichts wankt, nichts ist zerstört. Der 1. FC Köln hat sich an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen. An vielen Stellen wurde vieles richtig gemacht. Im Präsidium, in der Mannschaft, bei den Fans. Der Präsident hatte unlängst gesagt, Erstklassigkeit würde Erstklassigkeit nach sich ziehen. Der Präsident scheint ein kluger Mann zu sein. Der 1. FC Köln ist wieder erstklassig.

-Peter

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