Nach rund zweijähriger Pause steht es wieder an, das einzig wahre Rheinderby in der Bundesliga. Wobei einer der beiden Kontrahenten in etwa so viel mit dem Rhein zu tun hat, wie Hamburg mit der Nordsee. Immerhin rund 40km trennen den Borussiapark von der meistbefahrenen Wasserstraße der Welt. Dennoch zählt (sich) Mönchengladbach irgendwie zum Rheinland bzw. zum Niederrhein und ansonsten gibt es rund um die Rübenäcker der Region ja auch wenig Identitätsstifftendes.
Aber trotz der langen Pause seit dem letzten Aufeinandertreffen der Rivalen hält sich die Vorfreude, nicht nur bei mir, durchaus in Grenzen. Und dabei gehöre ich sogar zu den wenigen Glücklichen die sich sowohl an FC-Siege in Müngersdorf als auch in Gladbach erinnern können.
Zu viele negative Erinnerungen sind aus Kölner Sicht mit diesem Derby verbunden. Ganz unabhängig von meiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber jedem Hype, der unweigerlich mit solchen Partien verbunden ist. Das letzte Spiel des FC in Gladbach habe ich bewusst gar nicht verfolgt. Der Verein war wohl nie so sehr am Boden, wie in dieser Zeit. Führungslos, sportlich offenbart, finanziell ruiniert, der Erzrivale auf dem größten sportlichen Höhenflug seit den 1970er Jahren. Zudem war die größte Gruppe der aktiven Fanszene aus dem Stadion verschwunden, zum Teil selbstverschuldet zum Teil auf Grund einer Hetzjagd die jeder Verhältnismäßigkeit entbehrte. Kurzum es war grauenvoll. Natürlich ging das Spiel verloren. Wie so oft Spiele verloren gingen gegen den VfL. Dabei hatte der FC die Möglichkeit sich der Borussia zumindest für einige Zeit zu entledigen.
Mit einem einfachen Punktgewinn 2011 hätte man Mönchengladbach in die Zweitklassigkeit geschickt. Und zu diesem Zeitpunkt lag der Erzrivale am Boden. Perspektivlos fiel er der sportlichen Bedeutungslosigkeit entgegen. Es sah so aus, als könne der FC, nachdem man jahrelang auf niedrigstem Niveau die Augenhöhe gewahrt hatte, an der Borussia vorbei ziehen. In Köln schaute man selbstbewusst nach Europa, in Mönchengladbach blickte man in den fußballerischen Abgrund namens Aue, Sandhausen und Ingolstadt. Doch statt dem VfL den Todesstoß zu geben, sich über die Bauernschaft zu erheben und tatsächlich wieder zur Nummer 1 am Rhein zu werden, auch fußballerisch, ging man mit 1:5 unter. Es war nicht nur der Start der bisher überaus erfolgreichen Karriere eines Marc-André ter-Stegen. Es war auch die Wiedergeburt von Borussia Mönchengladbach, die diesen Verein im kommenden Jahr in die Champions League führte, während der 1. FC Köln nun selbst nach Aue und Ingolstadt musste.
Ich selber habe dieses Spiel nicht im Stadion verfolgt. Ich saß in Münster vor meinem Laptop und bin nach der 1. Halbzeit spazieren gegangen. Ansonsten könnte ich diese Sätze vermutlich nicht mehr auf diesem Laptop schreiben. So sauer hatte mich ein Fußballspiel selten gemacht. Der Spaziergang half. Auch im kommenden Jahr fuhr ich nicht nach Mönchengladbach. Die Erfahrungen, die ich die letzten Jahre dort sammeln durfte hatten mir gereicht, um von diesem Auswärtsspiel erst einmal Abstand zu nehmen. Das Zusammenspiel von An- und Abreise mit den sportlichen Leistungen meines FC reichten aus, um kein Interesse mehr an der Fahrt durch die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Mönchengladbach-Rheydt zu haben. Dabei habe ich, wie schon gesagt, sogar Siege des FC dort erleben dürfen. Aber diese seltene emotionalen Glücksmomente können kaum das Gefühl aufwiegen, wenn man bereits am Kölner Hbf von der Polizei mit Tränengas begrüßt wird, sich intensiven Leibeskontrollen aussetzen muss um anschließend Anderthalb Stunden in einer völlig überfüllten Bahn an den Niederrhein zu fahren. Nur um dort in, erneut völlig überfüllten, Bussen nochmals stundenlang über Land zu fahren um irgendwann an dem Wellblechpalast anzukommen, der sich wie eine außerirdische Spinne mitten zwischen die Äcker gesetzt hat.
Wenn Fans der Borussia dann versuchen diese Busse anzugreifen, sich dabei aber selbst auf dem Parkplatz ihres Fanhauses einschließen gehört das noch eher zu den amüsanten Anekdoten dieser Fahrten.
Auch bei Heimspielen gibt es kaum schöne Erinnerungen, die mit diesem Derby in Zusammenhang stehen. Der Sieg 2005 nach einer der schönsten Choreos in Müngersdorf gehört dazu, ebenso wie die unglaubliche Anspannung im Stadion als die Fahne der Ultras MG in der Kölner Südkurve auftauchte. Verbunden mit einem unberechtigten Foulelfmeter, den Patrick Helmes, ausgerechnet Helmes, zum Ausgleich sicher verwandelte. Damals, als man noch, auf unglaublich niedrigem Niveau, auf Augenhöhe agierte. Mittlerweile trennen die Vereine sportlich Welten. Mönchengladbach wird auch diese Saison wieder um einen Platz im Europapokal mitspielen, je nach Stärke der Konkurrenz auch um die Champions League, für den FC gibt es nur den Abstiegskampf. Und wie das Spiel am kommenden Sonntag ausgeht, darüber gibt es nur bei den Wenigsten Zweifel. Wie schon auf der Fahrt nach Paderborn gemutmaßt wurde, wird die Mannschaft dieses Jahrt vermutlich nur elf Gegentore einfangen. Zehn davon gegen Gladbach.
Aber wer weiß, ob nicht eines Tages, wenn der FC den eingeschlagenen Weg weiter verfolgt und sich von Rückschlägen und Derbyniederlagen nicht aus der Ruhe bringen lässt und wenn Favre irgendwann einmal nicht mehr Trainer am Niederrhein ist, ob sich dann die Verhältnisse vielleicht noch einmal umkehren. Denn schon bei der Choreo 2005, als ein überdimensionaler He-Man die Südtribüne hinaufgezogen wurde, wusste man in Köln: Schlachten gewinnt man, Schlachten verliert man… aber am Ende gewinnt immer das Gute.