Freitagnachmittag ca 17 Uhr. Gerade habe ich meinen Co-Trainer angerufen, dass das C-Jugendpunktspiel morgen Nachmittag verschoben wurde. Nun überlegten wir, was wir an dem Abend machen können, wenn wir schon am Samstag frei haben. So dachten wir uns, wir könnten nach Timmendorfer Strand fahren und unsere Alt-Herren im Ü32-Krombacher-Pokal Viertelfinale bestaunen. Doch es kam anders. So verabredeten wir also, dass er mich gegen 19 Uhr abholen würde. Nur kurze Zeit später klingelte wieder mein Telefon. “Na Andy, was los?” – “Hier, scheiss mal auf die Alten Herren, wir fahren gleich nach Lübeck, da ist doch DFB Pokal gegen Braunschweig.” – “Check! Ich mach mich fertig! Wann biste hier?” – “15-20 Minuten!”
Um 17:55 Uhr stand Andy also mit seiner Karre vor meiner Haustür. Wir hatten noch 65 Minuten Zeit bis zum Anpfiff und keine Karten. Was uns aber vor gar keine Probleme stellen sollte. Die Fahrtzeit nach Lübeck betrug knappe 25 Minuten, die Parkplatzsuche dauerte ganze 3 Minuten, so blieb uns noch genügend Zeit ein paar Gespräche mit der dortigen Hundertschaft zu führen, da wir dort einige Leute kannten. 20 Minuten vor Anpfiff habe ich dann Andy dran erinnert, dass wir noch Karten brauchen, also haben wir uns dann auf den Weg nach unten zum Stadion gemacht und noch schnell 2 Karten für den Block C5 besorgt. 15 Euro für unüberdachte Plätze. Naja, aber war ja auch Pokal und wir hatten noch immer mindestens 25°C.
Nun kam der schwierigste Teil an dem Abend. Wo zum Teufel ist der Eingang zu C5? Wir standen nun direkt vor dem Vereinslokal, der “Alten Holze”. Benannt danach, weil sie direkt unter der alten (Holz) Haupttribüne ist. Hier waren früher u.a. die Umkleideräume der Mannschaften. Auf der rechten Seite ein kleiner Holzunterstand mit Wurst und Getränkeverkauf. Das Bier gab es aus einem 30l Fass am Stand daneben. 2 Euro für 0,3l im Plastikbecher ohne Pfand. Kann man nicht meckern. Ich kenne Plätze in der Kreisliga da zahlst du mehr.
Dann dort in der Ecke stand ein Security. Zumindest wollte er sicher mal einer werden. “Ist hier C5?” – “Yo, mussu hier durch, nä!” Wir zeigten ihm unsere Karten, Andy stellte sich gleich so hin, damit er ihn abtasten kann. Der Security guckte nur verwundert. “Geh durch, sowas machen wir hier nicht.” Sicherheit wird beim VfB Lübeck halt groß geschrieben.
Da saßen wir, auf Plastikschalen aus den 80ern. Vor uns ein Zaun, ca 2m hoch. Blick, scheiße. Das hatten wir uns für den Preis anders vorgestellt. Also was blieb uns übrig? 90 Minuten stehen. Hätten wir auch Steher nehmen und die Hälfte sparen können. Naja, man lernt aus seinen Fehlern.
Immerhin ein wenig internationaler Glanz wehte doch durch die Lohmühle. Vor unseren Augen machte sich Deniz Aytekin warm. Immerhin mit Einsätzen als Torrichter bei der EM. Soll ein Job mit Zukunft sein.
Um kurz vor 19 Uhr ging es los, die Mannschaften kamen unter Ansage des Stadionsprechers auf das Feld. Dann gingen Sie wieder vom Feld. “Entschuldigung liebe Zuschauer, wir müssen noch mal einlaufen, die Kameras waren noch nicht bereit.” Habe selten ein Stadion so laut lachen hören.
So konnte dann auch pünktlich um 19:02 Uhr angepfiffen werden. Das Spiel wurde fast nur von der Eintracht beherrscht. Lübeck beschränkte sich auf Konter, diese waren aber a) kaum vorhanden und wurden dann b) grauenhaft ausgespielt. Aber auch Braunschweig tat sich schwer gegen den Regionalligisten. Lediglich in der 13. Minute zeigten sie mal ihr Können, als Kevin Kratz zum 1:0 traf. Ansonsten war immer wieder Endstation bei Lübecks Nummer 1, Jonas Toboll, der an diesem Abend als einziger Lübecker das Niveau hatte um in Runde 2 zu gelangen.
Während des Spiels hatte ich viel Zeit mich um zuschauen. Spannend war was anderes. Da war zum einen der ältere Herr hinter uns mit seiner Jahreskarte um den Hals. Er tat mir Leid, ich habe mir vorgestellt jedes Wochenende zum VfB Lübeck zu gehen. Der muss ein starkes Herz haben. Naja, immerhin war er einer von den 60 Leuten, die bis dato eine Dauerkarte hatten. Die Stadt steht halt hinter dem Verein…
Unsere Sitznachbarn schienen schon ordentlich getankt zu haben. Okay, braucht wohl auch viel Mut um zu einem Heimspiel beim VfB zu gehen. So fiel die Dame, Mitte 30, schon kurz nach Anpfiff eine Reihe tiefer. Aber bis zum Abpfiff schaffte sie trotzdem noch ihre 10 Bier.
Ich erkannte sogar noch 1-2 Leute, jedoch habe ich mich nicht getraut sie anzusprechen. Nachher muss ich mir noch Trauergeschichten anhören. Als hätte ich nicht schon genug zu leiden. Aber was fahre ich auch nach Lübeck…
Auf den Rängen war das Spiel schon vor dem Anpfiff entschieden. Gegen die 3000 Braunschweiger konnte der 100 Mann starke Supporter-Mob vom VfB nicht an und musste sich nicht nur einmal die Häme der Braunschweiger Fans über sich ergehen lassen. “Heimspiel in Lübeck!” waren noch die harmlosesten Gesänge von der Gegenseite.
Auch die 2. Halbzeit war nicht gerade hochklassiker, jedoch reichten Braunschweig 2 Minuten um die Partie zu entscheiden. In der 67. und 68. Minute waren es Mirko Boland und wieder Kevin Kratz, die die Partie entschieden. Der Rest war Party auf der Tribüne. Zumindest, wenn man Gelb und Blau gekleidet war.
Dann verkündete der Stadionsprecher die offizielle Zuschauerzahl. 6.411 Männer, Frauen und Kinder kamen um sich dieses Spiel anzuschauen. Traurig, als der Herr neben uns im Nebensatz sagte “Soviele waren hier seit Jahren nicht mehr, nicht mal im Derby gegen Holstein Kiel.” Noch trauriger, über 50% der Fans kamen aus Braunschweig, oder sagt man hier, Blau-Gelbe mit Identifikationshintergrund?
So entschlossen Andy und ich uns in der 82. Minute schon mal auf dem Weg zum Auto zu machen. Immerhin ist Freitagabend, man könnte ja evtl. noch was unternehmen. Gut, wir haben nichts mehr gemacht, aber kamen auch nicht in den Stau.
Ein DFB Pokalspiel in Lübeck. Ja, wie sag ich es um niemanden zu beleidigen. Viel Kreisklasse (vom Service, Sicherheit, Stadion) und wenig Regionalliga. Stimmung von Braunschweig dagegen Bundesligareif. Aber für 90 Minuten Fangesänge kann ich dann auch YouTube durchforsten und zahlte keine 15 Euro für einen Sitzplatz, der keiner war.
Nächstes Jahr fahre ich dann nach Kiel, in der Hoffnung sie gewinnen die Landespokal! Da soll es schöner sein.