Zu den Auswärtsspielen der U21 des 1. FC Köln, seit kurzem auch liebevoll Amateure II genannt, zu fahren, ist für #effzeh-Fans ein seltenes Glück. Und das obwohl in der, zur Regionalliga West aufgestiegenen, NRW-Liga sämtliche Spielorte leicht zu erreichen wären. Allein die zahlreichen Parallelansetzungen mit den Spielen der 1. Mannschaft verhindern die Besuche der Spiele regelmäßig. Umso schöner ist es da, wenn eine der wenigen möglichen Touren auch direkt zu einem attraktiven Gegner führen. In diesem Fall war es Rot-Weiss Essen.
Die neue Stufe der Eskalation der “so genannten Fans”, welche die Medienlandschaft in den letzten Tagen ausgemacht haben wollte, sorgte offensichtlich für reichlich Nervosität unter den Beamten der Bundespolizei in Köln. So genügte bereits das schlichte Stehen vor dem Ticketautomat am Kölner Hauptbahnhof für eine polizeiliche Maßnahme. Diese zog sich dann auch so lange hin, dass der ursprünglich angedachte Zug nicht erreicht werden konnte. Dabei hatte sich der Einsatzleiter offensichtlich intensiv auf diesen Tag vorbereitet, wie schon folgende Aussage bewies: „Ihr wollt nach Essen? Dann seid ihr Fortuna Fans, denke ich mal.“
Nachdem die Gruppe von immerhin neun (!) Kölnern sicher zum alternativ heraus gesuchten Regionalexpress begleitet werden konnte, ging es dann entspannt in die Einkaufsstadt Essen. Dort angekommen wurde der inzwischen auf immerhin fast 20 Menschen angewachsene Kölner Anhang von einer weiteren Hundertschaft begrüßt und zu den extra abgestellten Gelenkbussen begleitet.
Pech hatte der Busfahrer des vordersten Fahrzeuges: Während seine Kollegen einen verfrühten Feierabend hatten, durfte er den Kölner Anhang zum Spiel kutschieren. Weshalb sich niemand der Polizei in Köln dazu befähigt sah, den Essener Kollegen mitzuteilen, dass statt der erwarteten 100 Fans nur eine Handvoll die Reise auf sich genommen hatte, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. So ging es mit vom Steuerzahler finanzierter Eskorte gen Stadion und wohl so mancher Essener Bürger mag sich gewundert haben, weshalb die Polizei einen leeren Bus durch die Innenstadt begleitete.
Nachdem Rot-Weiss Essen zwischendurch sogar drohte, ganz ohne Stadion da zustehen, hatte die Stadt schließlich Erbarmen und ließ, fast an alter Stelle, das Stadion an der Hafenstraße neu auferstehen. Zwar stehen erst drei Tribünen, aber das hat in Essen ja eine gewisse Tradition. So ergab sich der Blick aus dem Gästeblock auf die Reste des alten, halb abgerissenen Stadions, welches hinter der Baustelle hervorragte und Erinnerungen an alte Zweitligaspiele dort hervor rief. Das neue Stadion verspricht ein schönes zu werden. Erst recht für die vierte Liga, der Essen aktuell angehört. Bemerkenswert auch die Unterstützung für ein viertklassiges Team: Mehrfach schallte ein dreifacher Kanon von allen bereits bestehenden Tribünen übers Feld und es fanden sich immerhin über 8000 Zuschauer an dem Mittwochabend ein. Eine Zahl, die wohl so mancher Zweitligist gerne einmal erreichen würde.
Das Spiel entwickelte sich, wie es zu erwarten war: Die junge Kölner Mannschaft hatte große Mühen mit den klar favorisierten Essenern und offenbarte einige technische Defizite. Die Gastgeber waren von Beginn an die dominierende Mannschaft, ohne diese Dominanz aber entscheidend ausnutzen zu können. Die U21 hielt im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut mit und machte den Essenern das Leben schwer. Nicht zuletzt Christopher Schorch sorgte dafür, dass es zur Pause noch 0:0 stand. Weshalb er keine Chance in der 1. Mannschaft bekommt, wissen angesichts der Leistung nur die Club-Verantwortlichen.
Nach dem Seitenwechsel schaffte Essen dann in der 58. Minute durch Ellmann doch den Führungstreffer. Der Kölner Nachwuchs ließ sich davon aber nicht entmutigen und spielte weiter mit. So konnte Musculus nach einem gut ausgeführten Konter den Ball zum 1:1 ins Tor lupfen. Es hätte ein tapfer erkämpfter Punkt bei einem Aufstiegsfavoriten werden können – ein Punkt, der im Abstiegskampf noch Gold hätte wert sein können. Aber so kam es nicht: In der allerletzten Minute nutzte RWE einen Freistoß zur letzten Chance und Sawin köpfte den Ball über die Linie. Schlusspfiff und eine zwar verdiente, aber letztlich völlig unnötige Niederlage sowie die Aussicht auf eine sehr, sehr schwere Saison. Im Nachwuchsbereich also ein ähnliches Bild wie bei der ersten Mannschaft.
Zurück am Essener Hauptbahnhof konnte es dem Kölner Anhang durch eine taktische Meisterleistung gelingen, der steten Polizeiüberwachung zu entkommen („Ach dahinten gibt es eine zweite Treppe?“) und sich bis zum Lidl vorzukämpfen, um sich für die Rückfahrt mit Getränken zu versorgen. Am Bahnsteig entging man dann nur knapp einem Angriff durch zwei selbst ernannte Essener Hooligans. Nur dem großen Polizeiaufgebot ist es wohl zu verdanken, dass man als Kölner weiter gelangweilt auf den Zug warten konnte. Die beiden sympathischen jungen Männer in Thor Steinar Klamotten analysierten die Situation aber gekonnt, als sie von einem Polizeibeamten wieder die Treppen vom Gleis hinabgeführt wurden. Mit einem letzten Blick auf die Kölner Fans erkannten sie „Jetzt fühlt ihr euch stark!“ – und schon waren sie nicht mehr zu sehen.
Die Rückfahrt in die schönste Stadt Deutschlands konnte außer Zivilpolizisten mit Amnesie und fluchenden Ruhrprollmädchen wenig aufbieten. So wurde Köln ohne Probleme erreicht. In der Hoffnung, dass die U21, nachdem man nun in den ersten Spieltagen gegen die schwersten Gegner der Liga angetreten ist, doch noch die Kurve bekommen wird. Dafür wird die Mannschaft in den kommenden Partien aber auch das Quäntchen Glück benötigen, das gegen Essen noch gefehlt hatte.
Bei immerhin fünf Absteigern aus der Regionalliga West sind die Perspektiven nicht sonderlich rosig. Und in der nächsten Saison könnten deutlich mehr Auswärtsfahrten zur U21 drohen, denn die Wahrscheinlichkeit von Parallelansetzungen ist in der Mittelrheinliga deutlich geringer.